Orthodoxe jüdische Gemeinde Kölns tanzt den Can-Can

Der Kölner Karneval ist zweifellos einer der Höhepunkte des kulturellen Lebens in Köln, der zahlreichen Touristen anzieht. Wie jede Veranstaltung hat auch der Karneval sowohl seine Gegner als auch seine glühenden Anhänger.

Am 8. Januar 2023 fand in der Synagoge in der Roonstraße erneut eine Karnevalssitzung statt. Das Kölner Publikum nahm diese Veranstaltung mit Begeisterung auf. Aber bei einem erheblichen Teil der Gemeindemitglieder löste die Feier des Karnevals in der Synagoge, gelinde gesagt, Erstaunen aus. Für die Gemeindemitglieder, für die Juden, die die Gesetze der Thora befolgen, war es besonders bedrückend, kostümierte Karnevalisten bei einem Fotoshooting vor dem Toraschrein (Aron ha-Kodesh) zu sehen. Ein solches Vorgehen wird von gläubigen Juden lediglich als Schändung der Synagoge empfunden.

Toraschrein ist keine Sehenswürdigkeit, vor der man sich unbedingt fotografieren lassen sollte.

Synagoge – was ist das eigentlich?

בית תפילה – Beit Ha-Tfilah, Eingang der Synagoge in Padua

Beginnen wir damit, dass das Wort Synagoge nicht jüdischen Ursprungs ist. Im Hebräischen wird dieses Gebäude am häufigsten Beit Ha-Kneset (Haus der Versammlung) oder Beit Ha-Tfilah (Haus des Gebets) genannt, seltener Beit Midrasch (Haus des Lernens). Daher sollten Verhalten und Aussehen Respekt ausdrücken, der der Heiligkeit dieses Ortes entspricht. Jahrtausende lang wurden Synagogen ausschließlich als Ort gebaut, um mit G-tt zu sprechen, ein Ort, um die Tora zu studieren.

Synagoge an der Roonstraße

Nach dem Krieg wurde die Synagoge wiederaufgebaut und dabei umfassend rekonstruiert. Neben dem Gebetssaal verfügt das Synagogengebäude auch über ein koscheres Restaurant und einen angrenzenden Gemeindesaal (Festsaal). Im Saal finden verschiedene Veranstaltungen der Gemeinde statt: offizielle Versammlungen, die Feier verschiedener jüdischer Feste und kulturelle Veranstaltungen, darunter Konzerte.

Das Dilemma einen Karneval in einer Synagoge zu feiern

Auf meine Nachfragen bei Rabbinern außerhalb Deutschlands (aus Steuergeldern bezahlte Rabbiner beantworten meine Fragen nicht) erhielt ich eine eindeutige Antwort (z.B. die Antwort eines der Rabbiner der Organisation „Toldot Yeshurun„):

„Es ist strengstens verboten, solche Veranstaltungen abzuhalten.  Veranstaltungen, die im Synagogengebäude stattfinden, müssen dem Geist des Judentums entsprechen und dürfen nicht gegen das Gesetz der Tora verstoßen.“

„Es ist anzumerken, dass die festlichen Mahlzeiten und Aktivitäten nur dann erlaubt sind, wenn sie für die Bedürfnisse der Gemeinde notwendig sind. Darüber hinaus gibt es an solchen Orten normalerweise Aron ha-Kodesh, Tora-Rollen, heilige Bücher usw., was an sich respektvolles Verhalten impliziert. Leichtfertiges Verhalten und Handlungen, die die Heiligkeit der Synagoge und des Lehrhauses entweihen, sind bei allen Gelegenheiten und zu allen Zeiten streng verboten.“

All dies ist inakzeptabel. Die Synagoge – das Haus des Gebets – der kleine Tempel im Exil des Volkes Israel!

Aus den obigen Gründen ist es nicht akzeptabel, einen Karneval in einem Synagogengebäude zu veranstalten. Die Synagoge ist kein Ort, an dem Mädchen in Miniröcken tanzen können. Ein solches Auftreten entspricht nicht dem jüdischen Verständnis von Bescheidenheit.

Festsaal in dem Synagogengebäude an der Roonstr.:

CanCan…

Karneval

Der deutsche Karneval hat seinen Ursprung in den heidnischen, vorchristlichen Kulten der germanischen Stämme. Selbst wenn der Karneval ein ausschließlich christlich-katholisches Fest gewesen wäre, hätte er auch in diesem Fall in einer Synagoge nichts zu suchen.

Wer Köln am Rosenmontag besucht hat, wird sich nicht nur an den Karnevalszug und das Bonbonwerfen erinnern, sondern auch an die Scharen betrunkener Männer, für die sich die Häuserwände in eine Toilette verwandeln, an halbnackte Frauen und Mädchen, die sich an diesem Tag ein Verhalten erlauben, das in der übrigen Zeit des Jahres als unanständig gilt.

Zum Karneval gehört natürlich nicht nur der Rosenmontag, sondern auch die verschiedenen Karnevalsitzungen, die den Teilnehmern viel Freude und positive Emotionen bringen.

Über die Organisatoren des Synagogenkarnevals

Der Karneval in der Synagoge wird von dem Verein „Kölsche Kippa Köpp“, (Facebook) unter der Leitung von Aaron Knappstein organisiert.

In zahlreichen Interviews präsentiert sich Aaron Knappstein als Mitglied der liberalen jüdischen Gemeinde (Gescher LaMassoret) in Köln. Sein aktives zivilgesellschaftliches Engagement zielt darauf ab, die Rechte von Homosexuellen zu verteidigen. Aber Aaron Knappsteins Haltung gegenüber der gläubigen Minderheit ist für mich am unverständlichsten. Wie kann man sich für die Rechte einer Gruppe einsetzen und gleichzeitig die Rechte einer anderen Gruppe, nämlich der gläubigen Juden, verletzen, und das in einer Synagoge?

Aus einem Interview von Aaron Knappsteins der Zeitung „Jüdische Allgemeine“ vom 05.02.2013:  – Seine Karnevalsbegeisterung hat der schlanke Mann mit rotem Haar und Vollbart von seinen Eltern geerbt. „Mein Vater war ein Vollblutkarnevalist. …  Meine Eltern genossen hohes Ansehen, waren sehr gut integriert«, sagt er. Über ihr Jüdischsein sprachen sie nicht.“

Warum sollte ein Mann, der sich selbst als Mitglied der liberalen Gemeinde bezeichnet, mit seiner „Karnevalsbegeisterung“ in eine orthodoxe Gemeinde kommen? Das ist für mich, wie auch für viele andere Gemeindemitglieder unbegreiflich. In Köln gibt es doch viele Platze außerhalb der Synagoge…

Gemeinderabbiner

Ich kann auch nicht verstehen, was Rabbiner Yechiel Brukner in seiner Begrüßungsrede an die Jecken im Gebetssaal meinte: „Was haben wir gemeinsam. Unser Bewusstsein über die Wichtigkeit von Bewahrung von Tradition.“*

Wenn vor mehr als 100 Jahren eine kleine Gruppe von Juden Karneval feierte, wie wurde diese Handlung dann heute zu einer jüdischen Tradition geworden?

Die Bewahrung der jüdisch-orthodoxen Tradition liegt gerade darin, dass die Gemeinde vor 100 Jahren keinen Karneval feierte, heute nicht feiert darf und in 100 Jahren nicht feiern wird.

Weiter im Text:

Der Rabbiner betonte die Wichtigkeit des Karnevals: „Wir sind alle Frohsinnsverwalter. Wir haben alle ein Anliegen: Dort wo Freude ist, ist alles gut. Schalom.“

* Aus der Kölner Stadt-Anzeiger vom 08.01.2023 – Falafel und Kölsch mit den Kippa Köpp – „Dort wo Freude ist, ist alles gut. Shalom“

Übrigens, warum Falafel? Wozu ist diese „kulturelle Aneignung“? Was hat das Gericht aus der Nahen Osten (Falafel) mit einer deutsch-jüdischen Tradition zu tun?

Wer kann jede Veranstaltung erlauben?

Aber wie wir wissen, ist es ohne die Erlaubnis des Gemeindevorstands unmöglich, solche Veranstaltungen durchzuführen. Warum der Vorstand der Gemeinde ihre Durchführung zulässt, lässt sich nur vermuten.

Verein Kölsche Kippa Köpp, Karnevalsveranstalter Vorstand der Synagogen Gemeinde köln
Aaron Knappstein (Präsident) Abraham Lehrer
Carlos Levy (Ehrenpräsident) Bettina Levy
Patric Levy (Vizepräsident) Dr. Michael Rado
Volker Scholz-Goldenberg (Schriftführer) Dr. Felix Schotland
Frank Levy (Schatzmeister)

„Praktisch jeder, der in Köln eine Position in Politik, Kultur, Wirtschaft hat, ist Mitglied in einem Karnevalsverein, weil es zur allgemeinen Kultur der Stadt gehört“ – Aaron Knappstein, aus dem Artikel auf Time of Israel (sieheLink unten). Diese Tradition wird außerhalb der Stadt Köln als „Kölsche Klüngel“ bezeichnet. Wie sagt man in Köln – „man kennt sich, man hilft sich“.

Ich möchte die Vorstandsmitglieder daran erinnern, dass der Gottesdienst in der Kölner Synagogen-Gemeinde der orthodoxen Tradition folgt.

Fazit

Ich kann die Liebe zum Karneval für diejenigen verstehen, die nicht als Juden geboren wurden, sondern aus Liebe oder Respekt zu ihrer/m jüdischen Ehepartner/in zum Judentum konvertiert sind, oder einfach für jemanden, der der deutsche Ehepartner eines Mitglieds der Gemeinde ist.

  • Aber ich verstehe nicht, warum sie die Gefühle der gläubigen Juden in einer orthodoxen jüdischen Gemeinde nicht respektieren?
  • Warum wollen sie der Synagoge keinen Respekt erweisen?
  • Warum wollen sie den Glauben an einen einzigen Gott, in dessen Haus kein Platz für Karneval (der heidnische Ursprung) vorgesehen ist, nicht respektieren?

Für den amtierenden Vorstand ist der Spaß der Gäste der Gemeinde wohl viel wichtiger als die Gefühle der eigenen Glaubensbrüder und -Schwestern.

Der Kölner Karneval ist ein wunderbares Fest für Kinder und Erwachsene und es gibt viele Orte in Köln, um ihn zu feiern. Aber die Synagoge gehört definitiv nicht dazu.

Аnаtоli Кrеуmаn

P.S.

Um die Situation aus halachischer Sicht zu klären, habe ich mich an viele Rabbiner und Organisationen gewandt, darunter auch an die Deutsche  Orthodoxe Rabbinerkonferenz, deren Zentrale sich im Gebäude der Synagoge an der Roonstraße befindet.

 




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