Offener Brief an den Präsidenten des Zentralrates der Juden, Dr. Josef Schuster

Sehr geehrter Herr Dr. Schuster,

auf der ersten Seite der Jüdischen Zeitung vom 18.05.2017 wurde Ihr Artikel „Gefährliche Gleichgültigkeit“ in der Rubrik „Einspruch“ veröffentlicht.

Foto: Thomas Lohnes Quelle: Pressebilder des Zentralrats der Juden

In Ihrem Artikel schreiben Sie über den Einzug der AfD in den NRW Landtag und beklagen sich über die passive Haltung der etablierten Parteien gegenüber der Alternative-für-Deutschland (AfD). Ebenfalls haben Sie in Ihrem Artikel den Wunsch nach mehr Engagement im Kampf gegen Rechtpopulismus geäußert.

„Es wäre jedoch sehr gefährlich, wenn die etablierten Parteien diesen Zustand quasi schicksalergeben hinnehmen“, schreiben Sie über diese Situation.

Dass Sie die anderen Parteien kritisieren und auf diese Art und Weise gegen den möglichen Antisemitismus in den Reihen der AfD vorgehen, ist Ihr absolutes Recht.

Darf ich Ihnen nun meine Sichtweise auf Antisemitismus zum Ausdruck bringen? Ich würde den Antisemitismus in drei Arten unterscheiden:

1. Es ist ein blinder Hass gegen Juden ohne jegliche Begründung und ohne reale Taten. Solange diese Gesellschaftskrankheit  nur in den Köpfen von Betroffenen herrscht, entsteht für uns keine Gefahr.

2. Die zweite Art des Antisemitismus ist der Übergang vom blinden Hass zu tätlichen Angriffen z.B. zwecks Einschüchterung, um die Juden vom Besuch der Synagoge bzw. anderer jüdischer Einrichtungen abzuhalten.

3. Die dritte Art des Antisemitismus ist meiner Meinung nach die gefährlichste von allen und findet in den jüdischen Gemeinden statt. Durch Arroganz, Ignoranz, Gleichgültigkeit, verschiedene Manipulationen seitens des Gemeindevorstandes fühlen sich die Mitglieder der Gemeinde nicht mehr willkommen. Das Bleiben in solchen Gemeinden macht jedes Mitglied automatisch zum Mittäter. Diese Situation ist für viele unsere Mitglieder nicht akzeptabel und zwingt sie zum Austritt aus der Gemeinde. Dadurch zerstört man die Gemeinden von Ihnen.

Nicht für alle wird der Austritt aus der Gemeinde eine annehmbare Lösung sein. Einige versuchen die Gerechtigkeit bei den deutschen Behörden zu finden. Scheitern aber an der Autonomie der Gemeinden und sehen sich gezwungen sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Die negativen Informationen über die internen Streitigkeiten fließen in die lokale Presse.  Zu welchen Folgen sollte ein Hungerstreik eines Juden vor der Synagoge in Koblenz führen?  Hat der Zentralrat wirklich versucht die Lage zu entspannen (3)? In vielen Gemeinden werden die internen Konflikte über die ortsansässigen Medien öffentlich ausgetragen (4). Dies fördert gerade die Abneigung gegenüber den Juden.

Stellen Sie sich eine Gemeinde vor, wo bei jeder Wahl in die Gemeindevertretung (besonders mit mehreren Kandidaten) der amtierende Vorstand immer wieder die Gemeinderessourcen missbraucht und die Normen der demokratischen Gesellschaft völlig ignoriert, um seine Wiederwahl zu garantieren. Bei der Gemeindewahl müssen alle Kandidaten unabhängig von ihren Ämtern  Chancengleichheit genießen. Insbesondere wir als Juden sollen darauf achten, dass die moralischen Werte des Judentums hochgehalten werden. Vor G-tt gibt es keinen Unterschied zwischen dem Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland und einem einfachen Mitglied aus einer kleinen Gemeinde.

Was unternimmt der Zentralrat der Juden in solchen Situationen? Fast immer nichts. Er bevorzugt lieber die Bekämpfung des Antisemitismus auf der Bundesebene und die Strategie der Nicht-Einmischung auf der regionalen Ebene.

Mir ist vollkommen bewusst, dass meine Interpretation der offiziellen Deutung des Antisemitismus widerspricht. Bin ich wirklich mit meiner Sichtweise in die Irre gelaufen?

Erlauben Sie mir ein Paar Abschnitte aus der Berliner Zeitung zu zitieren:

„Der Dachverband will die Vorwürfe von einem unabhängigen, verbandsinternen Schiedsgericht beurteilen lassen. Um weiteren Schaden von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und von der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland insgesamt abzuwenden, appellieren wir noch einmal dringlich an den Gemeindevorstand, zur Aufklärung der Vorgänge unverzüglich beizutragen.“ (1)

„Der Zentralrat forderte unterdessen den Gemeindevorstand auf, die Ämter im jüdischen Dachverband bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen zu lassen.“ (2)

In Ihre Rede am 10.05.2017 (Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung) sagten Sie folgendes: „Verantwortung füreinander ist die moralische Grundsubstanz des Judentums.“

Ich hoffe, dass auf Worte auch Taten folgen. Ich hoffe es auch, dass der Zentralrat die Wahlen in Köln ohne einen offiziellen Einspruch von „einem unabhängigen, verbandsinternen Schiedsgericht beurteilen lassen“ kann und die beteiligten Vorstandsmitglieder aufgefordert werden, „die Ämter im jüdischen Dachverband bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen zu lassen.“

Mit freundlichen Grüßen

Аnatоli Krеуmаn


Die Antwort des Präsidenten des Zentralrates der Juden Herrn Dr. Josef Schuster finden Sie auf dieser Seite.

 


Fazit nach einer Woche

Das Schreiben wurde per E-Mail an zirka 150 Kontakt-Adressen der verschiedenen jüdischen Einrichtungen (Zeitungen (inkl. Österreich und die Schweiz), Gemeinden, Organisationen) versendet und fast 400-mal gelesen.

Das Verhalten der jüdischen Organisation erinnert mich stark an die deutsche Politik: Ignoranz und Totschweigen.

Es gab nur drei Antworten. Nur eine davon hat ein Ziel, der Sache auf den Grund zu gehen. Außerdem wurden mehrere Versuche unternommen diese Seite zu hacken.


Meine Antwort auf eine Rückmeldung (14.07.2017)

Sehr geehrter Herr Dr. _______,

zuerst möchte ich mich für Ihre Antwort und für Ihre Einladung herzlich bedanken.

In meinem Brief habe ich mich bemüht sachlich zu bleiben.  Da die Wahlen in der SGK nicht zum ersten Mal undemokratisch verlaufen sind, steht für mich die Sachlichkeit in meinem Schreiben außer Diskussion.

Die von mir angesprochenen Wahlen in Berlin zeigen nur, dass der Zentralrat wohl in der Lage ist, sich in eine Konfliktsituation einzumischen. Dabei ist eine Abneigung gegen den Herrn Gideon Joffe deutlich zu spüren. Dies zeigt nur eindeutig, wenn ein persönliches Interesse besteht, zögert sich der Zentralrat nicht die Probleme in der Öffentlichkeit auszutragen.

Ich würde mich freuen, wenn ich nur positiv über die Entwicklung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland sprechen konnte. Da ich über jede Menge Informationen aus den verschiedenen Gemeinden verfüge, erlaube ich mir die Probleme zu pauschalisieren.

Sie haben meine Gefühle angesprochen. Ich bin nicht traurig, ich bin enttäuscht, enttäuscht über die Gleichgültigkeit der jüdischen Gemeinden, Medien und Institutionen. Mein Brief wurde an zirka 120 Adressen gesendet und mehr als 250 Mal gelesen (14.07.2017), aber es kamen nur drei Rückmeldungen. Woran liegt es, Ihre Meinung nach? Darf ich mittlerweile behaupten, dass innerhalb der Jüdischen Gemeinden folgendes Motto gilt: „eine Hand wäscht die andere“?

Ich verfolge ein einfaches und klares Ziel, dass die Wahlen in der SGK immer korrekt verlaufen. Ja, möglicherweise bin zu idealistisch, da ich die Gemeinde als eine religiöse Institution sehe. Ich muss mich damit abfinden, dass die Gemeinden nur oberflächlich mit der Religion zu tun haben (um den Status KdöR zu sichern) und sollen in der Zukunft als GmbH behandelt werden.

Ich habe mich stets bemüht, die innerjüdischen Probleme weitgehend innerjüdisch zu lösen (deswegen ist meine Seite nicht in Google gelistet). Ich wünsche mir immer noch, dass die internen Konflikte direkt besprochen werden, nicht in aller Öffentlichkeit ausgetragen werden. Soll es wirklich so bleiben?

Viele Grüße aus Köln

 

 


Quelle 1:
Berliner Zeitung vom 31.08.2016
Wahlmanipulation Druck auf Jüdische Gemeinde steigt
Link: http://www.berliner-zeitung.de/24677286

Quelle 2:
Berliner Zeitung vom 01.09.2016
Wahlmanipulation Offener Streit zwischen Jüdischer Gemeinde Berlin und Zentralrat
Link: http://www.berliner-zeitung.de/24680670

3. Koblenz

Hungerstreik vor der Synagoge in Koblenz – russische Juden kämpfen um ihr Recht in der jüdischen Gemeinde. | Öffnen

Russische Juden kämpfen um das Wahlrecht in der jüdischen Gemeinde Koblenz – und haben gewonnen. Jedoch das Recht wird ignoriert. | Öffnen

Diskriminierung von Glaubensbrüdern | Öffnen

4. Bielefeld

Jüdische Gemeinde: Prozess verschoben | Öffnen

Jüdische Gemeinde: Vorstand angeklagt | Öffnen | Öffnen | Öffnen

Die Tore der Reue und der Umkehr stehen immer offen | Öffnen


Dieser Brief wurde in elektronischer Form an die E-Mails der jüdischen Zeitungen, Organisationen und Gemeinden in Deutschland, Österreich und der Schweiz versendet, die ich im Netz finden konnte.

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